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Deutsch

Von der Weimarer Rebublik zum Nationalsozialismus

von Dr. Andreas Zekorn

Die unterschiedliche Sozialstruktur und konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung in den beiden früheren Oberamtsbezirken bzw. Landkreisen Balingen (evangelisch) und Hechingen (katholisch) wird anhand der Wahlergebnisse in der Zeit der Weimarer Republik deutlich, z.B. bei den Reichstagswahlen. Der Oberamtsbezirk Balingen war damals stärker industrialisiert als Hechingen. Dies brachte mit sich, dass SPD und KPD in Balingen einen höheren Stimmanteil erzielten als in Hechingen. 1930 war die SPD noch stärkste Kraft in Balingen (Reichstagswahl 14.9.1930: Balingen: SPD 22,2 %, KPD 13,6 %; Hechingen: SPD 8,1%, KPD 7,0 %). Auch war in Balingen die liberale Deutsche Staatspartei bzw. die Deutsche Demokratische Partei (DDP) mit 12,6 % stärker als in Hechingen (4,9 %). Umgekehrt vereinnahmte im Kreis Hechingen 1930 das katholische Zentrum die meisten Stimmen (59,9 %), während es in Balingen mit 10,5 % an fünfter Stelle lag, noch hinter KPD und NSDAP. Allerdings erhielten in Balingen die DNVP 5,2 % und der Christlich Soziale Volksdienst immerhin 8,5 % der Stimmen, also Parteien, die Interessen der evangelischen Wähler wahr nahmen.

Gegenüber dem Nationalsozialismus erwies sich die Bevölkerung im Kreis Balingen zunächst anfälliger als im Kreis Hechingen, womit sich ein allgemeiner Befund hinsichtlich katholischer und evangelischer Gebiete zu bestätigen scheint. In Balingen bekam die NSDAP bei den Wahlen 1930 insgesamt 12,6 %, in Hechingen dagegen lediglich 8,6 %. Im Gegensatz zum übrigen hohenzollerischen Gebiet hatte die NSDAP in Hechingen dann bis 1933 aufgeholt: sie erhielt hier 43,4 %, in Balingen 43 %.

Aus der Zeit des nationalsozialistischen Unrechtsregimes seien zwei Komplexe hervorgehoben: die Deportation und Ermordung der Haigerlocher und Hechinger Juden sowie die Konzentrationslager des Unternehmens Wüste:

1941 wurden auswärtige Juden aus Württemberg nach Haigerloch zwangsevakuiert. Kurz darauf verschleppte man diese, gemeinsam mit den 85 in Haigerloch heimischen Juden in die Vernichtungslager im Osten, insgesamt mindestens 280 Personen. Nur sechs Haigerlocher Juden überlebten. Am 27. November 1941 wurden die verbliebenen elf Hechinger Juden deportiert und bis auf einen ermordet. 1933 hatte Hechingen noch mehr als 100 jüdische Einwohner gehabt. Von den 122 verschleppten jüdischen Einwohnern des Kreises Hechingen überlebten nur sieben.

Konzentrationslager des "Unternehmens Wüste"