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Flüchtlinge in Arbeit bringen: Zollernalbkreis setzt auf kreative Förderung und Freiwilligkeit

Ein Koch steht am Herd über einem Topf, hält einen Teller in der Hand und einen Löffel

Um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, setzt der Zollernalbkreis auf Freiwilligkeit sowie zusammen mit Partnern auf einen vielfältigen Mix an Maßnahmen und kreative Förderung – und macht damit gute Erfahrungen. Zum Beispiel im Refugio in Hechingen.

Hier finden Sie den Text in Leichter Sprache (PDF) (49,2 KiB).

Noch eine halbe Stunde bis zum Mittagstisch. Die Ausgabetheke im Refugio ist vorbereitet, es fehlt noch das Essen in den Warmhaltebehältern. Hussain Salan steht in der Küche am Herd, hebt den Deckel vom Topf und löffelt eine gute Portion Kartoffelgulasch in einen tiefen Teller. Prüfender Blick, der Duft – „perfekt“ sagt Salan und streckt einen Daumen in die Höhe. Die Gäste können kommen.

Der Syrer gehörte zu den ersten Flüchtlingen, die Mitte Januar im früheren Hotel Klaiber am Obertorplatz untergebracht wurden. Im Auftrag der Landkreisverwaltung betreibt der Arbeitskreis Asyl Hechingen dort das Refugio, ein Projekt mit drei Säulen: Unterkunft für geflüchtete Menschen, Zentrum für Integration und Starthilfe sowie Café und Restaurant. Direkt nach dem Einzug half Hussain Salan in der Küche mit, Erfahrung hatte er. Seit wenigen Tagen verfügt er über eine Arbeitserlaubnis und, was ihn richtig stolz macht, einen Arbeitsvertrag, angestellt beim AK Asyl.

Dass es nicht immer so glatt laufen kann wie bei dem jungen Syrer ist Almut Petersen, der Vorsitzenden des AK Asyl, bewusst. Sie und ihre ehrenamtlichen Mitstreiter engagieren sich dafür, dass Flüchtlinge in Hechingen gut an- und unterkommen. Und außerdem schnell lernen, Verantwortung zu übernehmen und möglichst auf eigenen Beinen zu stehen. „Die Geflüchteten erledigen wichtige Aufgaben, ohne sie wären der Arbeitsalltag und der Betrieb im Refugio nicht zu schaffen“, sagt Petersen.<sub> </sub>18 Bewohner sind derzeit dort gemeldet. Fast alle bringen sich bei den täglichen Aufgaben ein: Mülleimer leeren, Toiletten putzen, staubsaugen, nass wischen, Küchendienst, Wäsche waschen – in dem großen Gebäude gibt es immer etwas zu tun. In den ersten Wochen waren es zudem zahlreiche handwerkliche Dinge: Zimmer entrümpeln, frisch streichen, neuen Boden verlegen, Heizungen in Gang bringen. Im zweiten Obergeschoss, der früheren Wirte-Wohnung, entstanden ein Klassenzimmer und ein Gemeinschaftsraum, ein Computerzimmer wird noch folgen.

Je nach Aufgabe und persönlichem Einsatz erhalten die „Refugioler“ für ihre Tätigkeiten vom Verein eine Pauschale von maximal 200 Euro im Monat. Neben der Struktur, die selbst kleine Jobs geben können, seien diese Taschengelder eine „sehr förderliche Motivation“, sagt Petersen, deutlich hilfreicher als eine Arbeitspflicht, wie sie vom Gesetz her für einfache Tätigkeiten grundsätzlich möglich wäre.
Neben den Bewohnern bringen sich Dutzende Geflüchtete mit ein, die zwar nicht im Refugio untergebracht sind, dorthin aber Kontakte pflegen: etwa wegen der Deutschkurse, die der AK Asyl mittlerweile am Obertorplatz anbietet. Nur dank ihnen ist etwa der öffentliche Café- und Restaurantbetrieb möglich. Regelmäßig hinter der Theke steht in diesen Tagen Anastasiia Tsybulska. Die 18-Jährige flüchtete vor dem Krieg in der Ukraine, am Beruflichen Schulzentrum Hechingen absolviert sie ein Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf, mit viel Deutsch auf dem Stundenplan. Ihr Ziel: ein Studium. Im Refugio ist Anastasiia Tsybulska als Berufspraktikantin. Hier trifft sie auf andere Ukrainerinnen, auf Syrer, Afghanen, Afrikaner. Damit es im Haus läuft, ist Kommunikation unerlässlich. Bisweilen mit Händen und Füßen. Die gemeinsame Sprache ist Deutsch. Das lernen die Refugio-Bewohner nicht nur in den Kursen, sondern im Gebäude ganz praktisch unter- und miteinander den ganzen Tag. Die Begegnungen zwischen den Bewohnern, Café- und Restaurant-Gästen, Ehrenamtlichen – „so geht Integration“, sagt Almut Petersen. Hört sich einfach an, ist aber eine gewaltige Arbeit. Petersen reibt sich mit den Händen immer wieder die Müdigkeit aus den Augen.

Auf dem Handy von Jürgen Fischer ploppt derweil gerade eine neue Nachricht auf. Fischer, im Hauptberuf selbstständiger IT-Mann, für die SPD Mitglied des Kreistags, betreut beim Hechinger AK Asyl das Arbeitsvermittlungsprogramm für Geflüchtete in Kooperation mit lokalen Unternehmen. Eine Handvoll Refugio-Bewohner, die aktuell noch auf ihre Arbeitserlaubnis warten, gehen in diesen Tagen bereits probearbeiten bei einem Kunststoffhersteller. Nach erfolgreichem „Schnuppern“ haben sie Aussicht auf einen festen Job.

Weitere Informationen: Mit freiwilligen Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge hat der Zollernalbkreis bereits reichhaltige Erfahrungen gesammelt – diese werden den Bewohnern fast aller Unterkünfte angeboten. Voraussichtlich im Mai startet zudem ein Modellprojekt zusammen mit der Firma Trigema in Burladingen: Ziel ist es, bis zu 25 geflüchteten Menschen, die arbeiten dürfen und eine Bleibeperspektive haben, dort ein Obdach zu geben und ihnen zugleich zeitnah eine berufliche Chance zu eröffnen. Zusätzlich zündet der Zollernalbkreis in Kooperation mit der Agentur für Arbeit gerade einen „Job-Turbo“ für Asylsuchende und Geduldete mit dem Ziel, vorhandene Qualifikationen zu erkennen und geeignete Personen schnell und unkompliziert in Arbeit zu bringen. Diese Maßnahmen seien intelligenter als ein Arbeitszwang, wie er immer wieder ins Gespräch gebracht wird: „Stupide Verpflichtungen ohne Rücksicht auf individuelle Begabungen und Motivationen münden in Ressourcenverschwendung und Effekthascherei“, so Landrat Günther-Martin Pauli.