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Gouvernement Militaire: die Zeit der französischen Besatzung im heutigen Zollernalbkreis

Ein offizielles Schreiben mit französischem Stempel

Besatzung, Entnazifizierung, Neuanfang: Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges und dem Terrorregime der Nationalsozialisten war die französische Besatzung eine Zeit, die mit großen Herausforderungen, Anstrengungen und Entbehrungen verbunden war. Diese bedeutende Phase in der Geschichte des Zollernalbkreises kann nun mit der Sammlung zum Gouvernement Militaire im Kreisarchiv nachvollzogen werden.

Zwischen dem 18. und 25. April 1945 besetzten französische Truppen die damaligen Kreise Balingen und Hechingen, für die unmittelbar darauf Militärregierungen eingerichtet wurden. Zahlreiche Aufgaben und Probleme galt es nun zu bewältigen. Neben der Demilitarisierung wurde auch die Entnazifizierung vorangetrieben: 24 Bürgermeister im Altkreis Balingen wurden sofort abberufen und durch Personen ersetzt, die nicht der NSDAP oder ihren Organisationen angehört hatten. Im Kreis Balingen wurde Landrat Dr. Zeller Ende Mai 1945 abgesetzt und durch den Fabrikanten Robert Wahl ersetzt. In Hechingen folgte der ehemalige Zentrumspolitiker und hohenzollerische Abgeordnete im preußischen Staatsrat Clemens Moser auf Landrat Schraermeyer.

Eine große Herausforderung war die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Denn neben den Einheimischen mussten auch tausende ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, die sich noch in den Kreisen aufhielten, sowie die französischen Truppen versorgt werden. Noch ein Jahr nach Kriegsende standen einem Normalverbraucher in Balingen täglich nur 834 Kilokalorien zur Verfügung (empfohlen werden 2.500). Erst im September 1949 konnte die Versorgung erstmals über 2.000 Kilokalorien angehoben werden. Bei ihren Aufgaben war die französische Verwaltung auf die Unterstützung der hiesigen Bevölkerung angewiesen. Umfangreiche Beschäftigungslisten zeugen hiervon.

Direkt nach der Besetzung war die Zusammenarbeit zwischen Franzosen und Deutschen noch von Misstrauen geprägt. So wurden die Gemeinde Burladingen und der Kreis Hechingen am 11. Mai 1945 zur Zahlung von 500.000 Reichsmark verurteilt, weil sich ein nach Burladingen zurückgekehrter Wehrmachtsangehöriger nicht bei den französischen Stellen gemeldet hatte. Als die Summe nicht aufgebracht werden konnte, nahmen die Franzosen vorrübergehend 21 Geiseln in Haft. Die Strafe wurde im August 1945 jedoch wieder annulliert.

Vier Jahre nach Kriegsende war das anfängliche Chaos gewichen, der demokratische Neubeginn hatte begonnen und die wirtschaftliche Situation besserte sich allmählich. Die westlichen Besatzungsmächte zogen sich mehr und mehr von der direkten Einflussnahme zurück. 1952 wurden die Sitze der Militärregierungen in Balingen und Hechingen aufgehoben. Das Besatzungsstatut galt jedoch noch bis 1955.

Bei ihrer Verabschiedung zeigten sich die Militärgouverneure des Kreises Balingen und Hechingen im Dezember 1950 versöhnlich. Der Gouverneur von Hechingen, Colonel Roger Courtois, betonte, dass ihm das Land wegen seiner Schönheit, aber auch wegen des Fleißes und des gesunden Sinns der Bevölkerung ans Herz gewachsen sei. Er hoffe, dass das erlangte gegenseitige Verständnis von Franzosen und Deutschen „die Grundlage ist für ein einträchtiges Europa, darin wir in Freiheit leben uns und unsere christliche Kultur weiter entwickeln können“.

Weitere Informationen
Die Sammlung „Gouvernement Militaire“ (Sa_WK_2_NK_GM) ist im Kreisarchiv einsehbar. Einen ersten Überblick erhält man mit dem Onlinefindmittel zum Bestand (www.kreisarchiv-zollernalbkreis.findbuch.net). Die Sammlung umfasst unter anderem Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Bevölkerungszahlen des Kreises Balingen, Berichte über die Tätigkeit der Landespolizei, die Liste einquartierter Besatzungstruppen in Winterlingen, die vierteljährlichen Wirtschafts- und Tätigkeitsberichte des Hechinger Landrats, oder einen Bericht über die Flurschäden durch die Besatzungstruppen in Meßstetten.